Paul Juon
* 23. Februar 1872
† 21. August 1940
Trio [Nr.3] G-Dur op.60
Komponiert: | Berlin, 1914/15 |
Widmung: | Herrn & Frau Julius H. Block |
Erstausgabe: | Zimmermann, Leipzig, 1915 |
Die suggestive Kraft der in der Trio-Caprice op.39 beschworenen Bilder wirkt sogar noch in dem sieben Jahre später (1915) erschienenen und dem Ehepaar J. H. Block gewidmeten dritten Klaviertrio nach: Im zweiten Satze, der sicher zu den reifsten und tiefsten Momenten des Juonschen Oeuvres zählt, erscheint ein nahezu wörtliches Zitat des Anfangs von op.39. Ansonsten ist dieses Werk aber eher dem ersten Klaviertrio verwandt, dessen Grundzüge wir hier – reifer, voller und reicher – wiederfinden.
Das eröffnende Moderato assai (G-Dur) ist wie der analoge Satz von op.17 ein „regelmäßiger“ Sonatenhauptsatz, und wie dort gewinnt Juon ein Gutteil der koloristischen Wirkung aus einem ungewöhnlichen tonalen Verhältnis zwischen Haupt- und Seitensatz, der hier in fis-moll steht. Die Durchführung ist diesmal weit knapper, weniger „gelehrt“ und wesentlich klangsinnlicher. In der Reprise werden die Tonartenbeziehungen dann „zurechtgebogen“, und zwar, ganz „à la Reger“, durch eine geschickt plazierte Halbtonrückung, die den Seitensatz jetzt in g-moll münden läßt.
Daß aber das ursprüngliche fis-moll keine willkürliche Laune war, erhellt aus dem folgenden Andante cantabile (h-moll), einem dreiteiligen Liedsatz, in dem der Dominantton Fis Ausgangs- und unverrückbarer Mittelpunkt des Geschehens ist (besonders deutlich etwa am Beginn der Reprise und bei der abschließenden Offenlegung des oben erwähnten „Gösta Berling“-Zitates, dem eine sphinxhafte Beschwörungsformel vorangeht). Die Harmonik des Satzes ist sehr unkonventionell und persönlich, ohne je gesucht oder diffus zu wirken. Die naive und gefällige Sprache des Mittelsatzes von op.17 liegt weit hinter uns: Von keinem anderen Punkt des Werkes aus läßt sich die von Juon in diesen eineinhalb Jahrzehnten zurückgelegte Wegstrecke besser überblicken.
Zweifellos am nächsten zur folkloristischen Welt von Juons Trioerstling kommen wir mit dem Finalrondo (Risoluto, ma non troppo allegro, g-moll/G-Dur). Auch hier geben die modalen Eigenwilligkeiten des ostslawischen Volksliedes den Hintergrund ab, vor dem sich ein launiges Spiel von ansteckendem Übermut entspinnt. An die Stelle der volksliedhaften Treuherzigkeit ist hier aber das Raffinement selbstironischen Esprits getreten, dem es auch nicht fernliegt, etwa im Scheinfugato der Mittelepisode mit aller Schalkhaftigkeit Brahms zu zitieren (das Incipit des Scherzos aus dem B-Dur-Streichsextett op.18). So endet das Werk schließlich mit jener doppelbödig mutwilligen Ausgelassenheit, die sich vielleicht nicht besser ausdrücken läßt als mit einem unüberhörbaren Anklang an das altbekannte wienerische „O du lieber Augustin“ – ein makabrer Kontrapunkt zu dem Inferno, in das Europa zur Zeit der Entstehung des Werkes schon geschlittert war.
© by Claus-Christian Schuster