Roland Batik
* 19. August 1951
Vier Intermezzi
Komponiert: | Seibersdorf, Jänner-März 2001 |
Widmung: | Altenberg Trio Wien |
Uraufführung: | Wien, Musikverein, Brahmssaal, 3. April 2001 Altenberg Trio Wien Claus-Christian Schuster, Klavier Amiram Ganz, Violine Martin Hornstein, Violoncello |
Erstausgabe: | Manuskript |
Die Krise der Darmstädter Ästhetik (deren zeitliche Nähe zum ominösen
Jahr 1968 wohl nicht ganz zufällig ist) ging Hand in Hand mit einer
ganzen Reihe von Phänomenen, deren Nachwirkungen bis heute spür- und
hörbar geblieben sind. Die österreichischen „Darmstädter“ Otto M. Zykan
(*1935), Kurt Schwertsik (*1935) und H. K. Gruber (*1943) kreierten 1968
mit „MOB art & tone ART“ einen spielerischen Gegenentwurf zu den
aufwendigen Architekturen und angestrengten Konstruktionen, mit deren
Unterstützung die „ernste“ Musik dieser Zeit verbissen darum kämpfte,
auch wirklich ernst genommen zu werden. Die Verschiedenartigkeit der
seit damals von diesen Komponisten beschrittenen Wege und die bis heute
andauernde Strahlkraft ihres Gedankenansatzes, beweist die organische
Notwendigkeit und Richtigkeit dieser Entwicklung.
Obwohl Roland Batik von dieser Strömung völlig unbeeinflußt blieb, ist
sein musikalischer Werdegang für das durch sie mitgeprägte Ambiente
geradezu exemplarisch. Schon lange bevor das Zauberwort „Crossover“ zum
verbalen Amulett und Köder einer hektisch nach Verkaufsstrategien
suchenden Musikindustrie wurde, hat Roland Batik all das, was dieser
Begriff vergeblich vorzuspiegeln versucht, wirklich gelebt. Als Teenager
hatte er sich Rockgruppen wie Queen, The Who und Iron Butterfly zu
Idolen erkoren, was ihn aber durchaus nicht daran hinderte, eine
„klassische“ Musikausbildung zu durchlaufen. Das Jahr 1971, ein
Schlüsseljahr seiner Laufbahn, spiegelt die Dualität dieser Neigungen
exemplarisch wieder: In diesem Jahr erlebt er die Uraufführung von
Friedrich Guldas Concertino for Players and Singers mit, das ihn tief
und nachhaltig beeindruckt; wird als Pianist Student von Walter
Fleischmann an der Wiener Musikhochschule; und wird selber Lehrer von
Friedrich Guldas Sohn Paul (*1961). An dem kurz zuvor von Erich
Kleinschuster und den Mitgliedern seines Sextetts gegründeten
Jazz-Institut (Abteilung X) des Konservatoriums der Stadt Wien ist er
einer der ersten Schüler – Fritz Pauer gibt ihm dort entscheidende
Impulse. Als Komponist tritt er ab 1972 mit stimmungsvollen
Bühnenmusiken für mehrere Märchenproduktionen des Wiener Burgtheaters in
Erscheinung.
Was ihm 1971 noch ein kaum erfüllbarer Wunschtraum erschien, wird schon
1974 Realität: Unter der Leitung des Komponisten, der ihn für diese
Aufgabe prädestiniert hält, führt er in Salzburg (und im Folgejahr auch
in Wien) Guldas Concertino auf. Von da an ist Roland Batik (der zwischen
1976 und 1978 mit Friedrich Gulda intensiv auch an seinem klassischen
Repertoire arbeitet) für eine ganze Generation junger Musikfreunde der
ideale Wegbegleiter bei der Entdeckung des grenzenlosen Reichtums
musikalischer Idiome. Obwohl er sich hier vor allem als Solist
profiliert, zieht ihn auch die Kammermusik in besonderer Weise an: 1977
begründet er mit Heinrich Werkl (Kontrabaß) und Walter Grassmann
(Schlagzeug) ein noch immer bestehendes Jazz-Trio, 1982 mit seinem
ehemaligen Schüler Paul Gulda ein bis 1988 konzertierendes klassisches
Klavierduo, das auch international größte Anerkennung findet. Zwischen
1987 und 1991 ist Batik Mitglied der Wiener Instrumentalsolisten, für
die er auch mehrere Werke schreibt. Mit dem 1996 ins Leben gerufenen
Jazz-Trio „Bridges“, bei der Woody Schabata (Marimba/Vibraphon) die
Stelle von Walter Grassmann einnimmt, gewinnt Batiks kammermusikalische
Vorliebe eine zusätzliche Dimension.
Schon seit 1977 ist Batik auch erfolgreicher Lehrer am Konservatorium
der Stadt Wien, wo er bis 1994 parallel Jazz und Konzertfach Klavier
unterrichtete; seit 1994 beschränkt er sich hier auf das klassische
Fach. Die Realisierung diskographischer Großprojekte, wie die vielfach
ausgezeichnete Einspielung sämtlicher Mozart- und Haydn-Klaviersonaten
(1989/90 und 1995/99), belegt eindrucksvoll, daß Batik seinen ganz
eigenen Interpretationsstil gefunden hat.
Unter seinen Kompositionen erfreuen sich etliche Klavierwerke
(Bagatelle, Pannonische Romanze, Impressionen) besonderer Popularität.
Er selbst betrachtet das 1993 im Auftrag der Jeunesse musicale
entstandene (und erst jüngst wieder in Wien zu hörende) Erste
Klavierkonzert als sein Hauptwerk; an einem zweiten Klavierkonzert, das
er im Herbst 2003 mit dem Linzer Bruckner-Orchester uraufführen wird,
arbeitet Batik gerade.
Die heute uraufgeführten Vier Intermezzi übernehmen von der
Popularmusik die Vorliebe für Ostinati und kleinräumige Gliederungen:
Das erste (Introduktion) definiert den spielerisch-gelösten Charakter
des ganzen Zyklus und folgt einem additiven Formschema, das folgerichtig
auf ein abruptes Ende zusteuert. Das rhapsodische zweite Stücke (Quasi
improvvisando) versucht, die im Klaviertrio aufeinander treffenden
Klangwelten auszuloten; im weiteren Verlauf sind die von der „Minimal
music“ kommenden Anregungen nicht zu überhören. Die symmetrische Form
öffnet sich mit dem Schluß-Pizzicato zum Folgestück (Blues-Intermezzo).
Hier werden die formalen Konventionen des Blues (zwölftaktige Perioden,
Blues-Kadenz) auf parodistische Weise mit „klassischen“ Elementen
kombiniert. In zwei eingeschobenen Episoden erscheinen
Tangoreminiszenzen sowie eine Nänie über spannungsreichen Akkorden. Mit
dem im phrygischen Modus stehenden (und unüberhörbar „hispanisierenden“)
Finale beschließt Batik den kleinen Zyklus ganz in der Art eines
klassischen „Kehraus“.
© by Claus-Christian Schuster