Franz Schubert
* 31. Jänner 1797
† 19. November 1828
Trio B-Dur op.99/D 898
Komponiert: | Wien, (Wien I., Tuchlauben 14), Ende 1827/Anfang 1828 |
Uraufführung: | Wien, 28. Jänner 1828 Privat-Konzert bei Joseph von Spaun (Wien I., Teinfaltstraße 8) Carl Maria Bocklet (1801-1881), Klavier Ignaz Schuppanzigh (1776-1830), Violine Joseph Lincke (1783-1837), Violoncello |
Erstausgabe: | Anton Diabelli, Wien, 1836 |
Die Entstehung der beiden großen Klaviertrios Schuberts, die von vielen als die Gipfelleistung der gesamten Klaviertrioliteratur betrachtet werden, hängt wahrscheinlich unmittelbar mit einem für die Geschichte des Genres bedeutsamen Datum zusammen: 1827, im Todesjahr Beethovens, fanden sich die Beethoven-Freunde Ignaz Schuppanzigh und Joseph Lincke mit einem jungen Schubert-Freund, dem Pianisten Carl Maria von Bocklet zu einem Ensemble zusammen – eine kurzlebige Unternehmung (Schuppanzigh starb schon 1830), die aber dennoch, wenn man von einigen zaghaften Vorläufern absieht, als das erste „professionelle“ Klaviertrio der Geschichte bezeichnet werden darf. Bocklet, Schuppanzigh und Lincke waren es dann auch, die (wie schon einige Wochen zuvor das Es-Dur Trio) das B-Dur-Trio kurz nach seiner Vollendung, am 28.Jänner 1828 in der letzten Schubertiade bei Joseph von Spaun (in den „Klepperställen“, an Stelle des heutigen Hauses Teinfaltstraße 8/8A) vor etwa fünfzig geladenen Gästen aus der Taufe hoben. Die öffentliche Uraufführung fand erst nach Schuberts Tod statt und ist nicht dokumentiert.
Die hymnischen Reflexionen und Exkurse, die diesem Werk in der gesamten Schubertliteratur seit jeher gewidmet wurden und werden, bezeugen, mit welcher Einhelligkeit diese Schöpfung zu den Höhepunkten der Instrumentalmusik überhaupt gerechnet wird. Dutzende Anklänge an Schubert-Lieder wurden in der Partitur ausfindig gemacht, und manche haben versucht über den Umweg der wortgebundenen Musik zu einem vermeintlich „präziseren“, „sagbarerem“ Verständnis des Werkes vorzudringen. Unleugbar ist jedenfalls, daß Schubert mit diesem Werk einen musikalischen Organismus geschaffen hat, der das klassischen Postulat von der „Einheit im Vielfältigen“ nicht nur in beispielhafter Weise erfüllt, sondern aus dieser Erfüllung auch seine unzerstörbare, Zeit und Interpreten gleichermaßen überdauernde Vitalität bezieht.
Einer (gleichwohl verlockenden und für den einzelnen wohl auch sinnvollen und fruchtbaren) Analyse oder deutenden Beschreibung von Werken dieser Art hat sich der Reger-Schüler Alexander Berrsche (1883-1940) mit zeitlos gültigen Worten entzogen, die hier die Stelle einer solchen Einführung einnehmen mögen:
„Daß man über Dinge nicht schreiben kann, denen man zu ferne steht, ist klar. Begreifen Sie aber, daß man einer Sache auch zu nahe stehen kann? Daß das lebendige Wissen um den Reichtum eines Werkes ein Hindernis ist für jegliches abstrahierende und deskribierende Verhalten? Darstellen heißt vereinfachen, weglassen, unter Mannigfaltigkeiten und Gegensätzen Gemeinsames herausfinden, das Einmalige, Inkommensurable nicht sehen wollen, oder gar versuchen, es kommensurabel zu machen. Probieren Sie das einmal bei Schubert! Auch wenn Sie alles Vergleichbare kennen, immer werden Sie bemerken, daß gerade die Besonderheiten, die Sie auslassen müssen, das Wesentliche sind, das, was das Werk zu dem macht, was es ist. Sie können mir erwidern: gut, dann halten Sie sich eben an das Einzelne und Einmalige. Aber damit sieht’s noch schlimmer aus. Ich fürchte, es hieße an dem Wunder des Schönen Grammatik treiben, Harmonisches und Rhythmisches analysieren, Stufengänge verfolgen, indessen das musikalische Gebilde unantastbar und hoheitsvoll abweisend zurückweicht. Versuchen Sie doch, Auge in Auge mit dem „Lindenbaum“ ihn zu beschreiben! Oder vor dem langsamen Satz des B-Dur-Trios einiges Lichtvolle über desses Thematik zu äußern, während gleichzeitig eben diese Kantilene beglückend, beschämend und Schweigen gebietend in Ihrem Inneren erklingt! Es geht nicht…“
© by Claus-Christian Schuster