Robert Schumann
* 08. Juni 1810
† 29. Juli 1856
Trio Nr.1, d-moll, op.63
Komponiert: | Dresden, Juni 1847 |
Uraufführung: | privat: Dresden, 13. September 1847 Clara Schumann, Klavier Franz Schubert (1808-1878), Violine Friedrich August Kummer (1797-1879), Violoncello öffentlich: Leipzig, 13. November 1848 Heinrich Enke (1811-1859), Klavier Wilhelm Joseph von Wasielewski (1822-1896), Violine Johann Andreas Grabau (1803-1884), Violoncello |
Erstausgabe: | Breitkopf & Härtel, Leipzig, Juli 1848 |
Robert Schumann hatte sich schon 1842 einmal der Form des Klaviertrios zugewandt, als er die Phantasiestücke schrieb, die er aber erst einige Jahre später als op.88 veröffentlichen ließ. Zu seinem 37. Geburtstag nimmt er nun, im Juni 1847 in Dresden, ein neues, ganz anders geartetes Werk dieser Gattung in Angriff. Von Anfang an schwebte ihm wohl die Schaffung eines Trio-Diptychons vor, vielleicht nach dem Vorbild des Beethovenschen op.70:
„Robert ist jetzt sehr fleißig, er schreibt an einem Klaviertrio, das ein Opus mit dem ersten werden soll; ich freue mich, daß er auch einmal wieder an das Klavier denkt. Er scheint selbst sehr zufrieden mit seiner Komposition.“
(Clara Schumann, Tagebuch, 13. Juni 1847)
Mit „dem ersten“ sind natürlich die Phantasiestücke gemeint, zu dem das neue Trio also ursprünglich ein Gegenstück werden hätte sollen. Claras besondere Freude über eine neue Klavierkomposition hat ihren Grund darin, daß Schumann in diesen Monaten vornehmlich mit musikdramatischen Arbeiten und Plänen beschäftigt war – mit seiner Oper Genoveva (op.81) und Scenen aus Goethes Faust (WoO 3). Dieser Umstand hat übrigens in den beiden Triowerken des Jahres 1847 unüberhörbare Spuren hinterlassen.
Schon am 16. Juni sind die Skizzen beendet. Schumanns Aufzeichnungen aus diesen Tagen enthalten immer wieder dieses eine Wort: „Triofreuden“. Die eruptive Dynamik dieses Schaffensrausches ließ ein Werk entstehen, das den von den Phantasiestücken vorgegebenen Rahmen sprengte. Daher machte sich Schumann bald nach seiner Rückkunft aus Zwickau, wo in der ersten Julihälfte ein veritables „Schumannfest“ stattgefunden hatte, an die Komposition eines neuen Trios (op.80, F-Dur), das in Tonfall und Gewicht ein ideales Gegenstück zu dem eben vollendeten wurde. Der innere Bezug dieser beiden Werke manifestiert sich auf vielerlei Weise. Unter anderem fällt ein thematischer Archetyp folgender Kontur auf: ein steigendes Skalenmotiv, das sich aus chromatischem Beginn in synkopiertem oder punktiertem Rhythmus zu diatonischer Gestalt streckt, um mit der abschließenden Geste eines Sext- (op.63) oder Septimenfalls (op.80) wieder an seinen Ausgangspunkt zurückzukehren. Dieses „Leitmotiv“, das die zweiten Sätze unseres Triopaares dominiert, findet sich einige Jahre später in Schumanns letztem Triowerk (op.110) als erstes Trio des dritten Satzes noch einmal, wo es dann als Episode des Finales wiederkehrt und das Stück – und somit Schumanns ganzes Trioschaffen – in einer sieghaften Coda beschließt.
Wenn Clara sich ein Jahr zuvor selbst mit der Vollendung ihres eigenen Trios (g-moll, op.17) beschenkt hatte, so wurde diesmal am Ende eines glücklichen und schaffensreichen Sommers Claras 28.Geburtstag am 13.September mit der Uraufführung des d-moll-Trios begangen. Und welch ein Geschenk war nun erst dieses!
„Es klingt wie von einem, von dem noch vieles zu erwarten steht, so jugendfrisch und kräftig, dabei doch in der Ausführung so meisterhaft…. Der erste Satz ist für mich einer der schönsten, die ich kenne.“
(Clara Schumann, Tagebuch, 13.(?) September 1847)
(Was Clara sonst noch zu dem Werk zu bemerken hatte, ist zusammen mit ihren Tagebüchern, die wahrscheinlich von ihrer älteste Tochter Marie vernichtet wurden, verschollen.)
Als reifste Frucht einer Schaffensphase, deren Energien ganz dem Ringen um das erträumte Musikdrama zu gehören schienen und in der Schumanns Denken beständig um das dramatische Werk Hebbels (der Schumann am 27. Juli in Dresden besuchte), Goethes und Grillparzers kreist, trägt sein d-moll-Trio in jedem Takt Spuren dieser dramatischen Überhöhung des Lebens. Das Werk quillt förmlich über von Bildern, deren szenische Eindringlichkeit wohl niemals auf einer Opernbühne erreicht wurde. Vielleicht ist das unglückliche Schicksal von Schumanns Genoveva und das umso glänzendere Schicksal des d-moll-Trios ( – das Werk ist eines der meistgespielten der gesamten Trioliteratur – ) auch damit zu erklären, daß, wie Mendelssohn einmal sagte, die in der Musik ausgesprochenen Gedanken zu bestimmt sind, um sie in Worte zu fassen?
© by Claus-Christian Schuster